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Gott: Nichts ist Zufall, auch ein Erdbeben nicht

Prag, den 10. Januar 2005|10:30 Nichts geschieht zufällig meint der Sänger Karel Gott nicht nur in Bezug auf die Naturkatastrophe, deren Wucht er glücklicherweise nur leicht zu spüren bekam: "Der Schock stellte sich erst hinterher ein, als wir auf dem Flughafen in Male zum erstenmal das Ausmaß der Katastrophe im Fernsehen sahen. Im Fugzeug hörten wir das Stöhnen der Verletzten und sahen wie sie vom österreichischen Roten Kreuz versorgt wurden", sagt er über das dramatische Ende seines kurzen Weihnachtsaufenthaltes auf den Malediven.

LN: Ihre Insel wurde von der zerstörerischen Welle verschont, und das Verderben, das sie brachte, haben sie unmittelbar vor Ort nicht gesehen. Sie waren aber sehr nah. Wann wurde Ihnen klar, was eigentlich passiert war?

Auf unserer Insel gab es keinen Strom und kein fließendes Wasser. Wir wußten, daß etwas Schreckliches geschehen war, aber wir haben es nicht gesehen. Den ganzen Rückflug nach Wien über hat meine Freundin Ivana dann nur noch geweint. Da wußten wir schon, welches Glück wir bei dieser Katastrophe hatten, aber ich hatte sofortige berufliche Pflichten im Ausland, sodas mir alles erst bei der Rückkehr nach Hause völlig klar wurde. Unsere eigenen Erlebnisse waren in diesem schrecklichen Kontext uninteressant.

LN: In Innsbruck traten Sie in einer Silvestershow auf. Wie war Ihnen dabei zumute?

Von Anfang an habe ich gesagt, daß ich nicht so tun als wäre nichts gewesen und irgendwelche unverbindlichen, fröhlichen Lieder singen kann. Zum Glück haben sie aus der Show eine große Benefizveranstaltung gemacht, und während der vierstündigen Liveausstrahlung wurden nur bis zu Mitternacht ungefähr sieben Millionen Euro zum Nutzen der Betroffenen eingenommen. Das war eine Jahrhundertkatastrophe, und dabei war vorher schon das mehr als hundertjährige Hochwasser. Irgendwie werden die Katastrophen immer mehr - aufeinmal sind es irgendwie zuviele...

LN: Sie pflegen zu sagen, daß nichts Zufall ist. Gilt das nach Ihrer Meinung auch für diesen Fall?

Manche Menschen glauben an das Schicksal, daran, daß alles gegeben ist. Ich überlege, ob dieser Glauben nicht manchmal hilfreich ist. Alle Tiere in den betroffenen Gebieten sollen sich ja gerettet haben, in dem sie rechtzeitig in die Berge flüchteten. Ich denke, daß der Mensch diesen Instinkt einstmals auch hatte, auch fähig war rechtzeitig Katastrophen zu spüren und zu entkommen. Das signalisiert uns Mehreres. Wir waren damals vorbereitet - die alte Medizin, die auf die Sterne ausgerichtete Architektur. Aber die heutige Zivilisation, eine gewiße Bequemlichkeit, die Tatsache, daß man alles auf dem Tablett serviert bekommt, daß ein perfekter Service existiert, haben unsere Instinkte abgestumpft. Die Experten sind mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft und mit einer leistungsfähigen Technik ausgerüstet, und wenn es dann zu solch einer Katastrophe kommt, stottert der Seismologe im Fernsehen und sagt: "Ja wissen Sie, gewiße Signale gab es, sie mußten aber erst ausgewertet werden." Zuerst sollte man doch die Menschen warnen, damit sie sich retten, und erst danach auswerten.

Dann kommt dem Menschen in den Sinn, ob sein "Schicksal" nicht manchmal gelenkt wird. Ich kann diesem Gefühl nicht entkommen, um welche Naturkatastrophe auch immer es geht. Gerade darum weil ich weiß, daß es diese unglaubliche Technik gibt, die über die Ionosphäre an jeden Ort der Erde Befehle senden und die Natur lenken kann - das Wetter beeinflussen, Wolken zusammenballen, Flut und Trockenheit hervorrufen, ja sogar Erdbeben erzeugen. Wenn sie zur Verfügung steht, warum hat sie nicht geholfen? Es gibt schließlich das Pacific Tsunami Warning Center - schon in den vierziger Jahren schufen es die Amerikaner im Pazifik. Warum gibt es so etwas nicht auch im Indischen Ozean? Wenn die Erschütterungen sogar in Prag aufgezeichnet wurden, warum haben dann die Seismologen nicht gesagt:"Verlaßt den Strand und bringt Euch auf höhergelegenen Plätzen in Sicherheit"? Ich frage mich immer bei solch einer Katastrophe, egal ob sie von Menschen verursacht wurde wie im Falle des Terrorismus oder von der Natur, ich frage mich, wem gereicht das am Ende zum Vorteil. Selbst wenn man mich für einen Narren hält, ich kann diesem Gedanken nicht ausweichen. Warten wir ab, was weiter geschehen wird.

LN: Denken Sie tatsächlich irgendjemand wäre in der Lage und willens solch ein Unheil hervorzurufen?

Es gibt Gebiete, wo jede Sekunde Menschen an Hunger sterben als Folge von Epidemien oder lokalen Kriegen, und niemanden kümmert es. Ich frage: "Warum wird dort keine Hilfe hingeschickt? Warum kümmert sich niemand um diese Menschen? Warum sendet man kein Geld in das Gebiet, wo Hungersnot herrscht?" Es wird nicht darüber gesprochen, weil es sich nicht um Orte handelt, die ökonomisch oder strategisch von Interesse wären. Aber die Ufer Südostasiens sind interessant - das ist der Tourismus der Zukunft. Wer könnte ein Interesse an dieser Katastrophe haben? Warten wir ab, wer, welche Konzerne, große Ketten dort auf der grünen Wiese etwas errichten. Das wird uns die Antwort geben. Die herzergreifende Hilfe der Großmächte - sind das nicht eigentlich schon Investitionen. Und wenn sie mir eine Voraussicht gestatten, als nächste könnten die Kanarischen Inseln an der Reihe sein, vor allem La Palma. Dort ist eine labile Klippe, die durch einen Vulkan gefährdet ist. Man rechnet damit, daß sie ins Meer rutschen wird. Das kann morgen geschehen oder in hundert oder zweihundert Jahren, mal sehen. Gee Gee Global Geophysical Events, die globale geophysikalische Vorkomnisse prognostizieren, wissen etwas darüber.

LN: In diesem Bewußtsein zu leben ist sicherlich recht anstrengend. Sie glauben aber an ihren "Schutzengel" - so haben Sie auch ihr letztes Album genannt. Im aktuellen Kontext klingt das fast symbolisch.

Ich glaube daran, daß überall wo man hinschaut Zeichen sind. Wir müssen nur in der Lage sein, sie zu verstehen. Auf der einen Seite habe ich die fast fanatische Überzeugung, daß alles vorherbestimmt, nichts zufällig ist, schon gar nicht was die Politik, die Strategie und die neue Ordnung betrifft. Auf der anderen Seite glaube ich an den Biomagnetismus und daran, daß es noch etwas darüber hinaus gibt, daß eben irgendein Schutzengel existiert. Das habe ich von klein auf wahrgenommen. Alles, was geschehen ist, hat auf eine bestimmte Weise zu meinem ungeheuren Glück im Leben beigetragen. Was ich überlebt habe, was ich durchgemacht habe, daß ich Menschen getroffen habe, welche mich auf einen Kurs gebracht haben, den einzuschlagen mir selbst wahrscheinlich nicht eingefallen wäre, welches Glück ich hatte mit Musikern, Freunden, Kapellmeistern, Komponisten und Textautoren, Lehrern auf dem Konservatorium, bis hin zu den Menschen im Ausland. Wie kommt es, daß sowohl die Deutschen als auch die Russen an mir Gefallen gefunden haben? Warum haben mich die Amerikaner fünfmal nach Nashville und für ein halbes Jahr nach Las Vegas eingeladen? Wie kommt es, daß sie mir in der Carnegie Hall oder in Brasilien, auf einem Riesenkonzert in Rio, geklatscht haben?

LN: Sie glauben, daß in alledem ihr "Schutzengel" seine Finger hat?

Ich würde sagen, daß er über mir ein wenig die schützende Hand hält. Zum Beispiel hatte ich jetzt auf den Malediven an diesem schrecklichen Tag, dem 26. Dezember, mit Ivana einen Ausflug auf eine verlassene Insel geplant. Sie bieten so eine Art romantisches Erlebnis an - sie fahren Sie auf die Insel, dort verbringen Sie den ganzen Tag zu zweit, machen ein privates Picknick und am Abend werden Sie wieder abgeholt. Im letzten Augenblick habe ich den Ausflug abgesagt, auf einmal hatte ich keine Lust mehr. Danach haben wir erfahren, daß die Insel zwei Stunden später verschwunden war...

LN: Auf der neuen CD sind aber mehrere Stücke, die man als eine Art Vorahnung verstehen kann.

Denken Sie an das Lied über die Menschen, die mehr von der Natur nehmen, als sie ihr geben, wohin das führen kann und wie dieses Mal Noa mit seiner Barke nicht mehr vorbeikommt? Ich habe nie über solche Themen gesungen - und schau her, auf einmal sind sie da.

LN:Sie sagen, daß Sie im Leben das Glück hatten, auf Menschen zu treffen, die ihre Orientierung beeinflußten. Aber diese Menschen hatten wiederum das Glück, über ihr Talent und ihren Fleiß verfügen zu können - es war wohl nicht zu deren Schaden?

Das kann ich ihnen nicht verübeln. Dies ist einfach Teamarbeit. Da hätte ich auch mit der Gitarre zu Hause sitzen und singen können oder im Bad, wo es gut resoniert und jeder ein Caruso ist. Das hätte mir nichts genützt, wenn ich nicht zum Beispiel dem hervorragenden Klavieristen Rudolf Rokl begegnet wäre. Zusammen hörten wir ausländische Schallplatten und versuchten herauszufinden, was die feinen Sachen ausmacht, mit denen wir unsere Musik bereichern können. Sofort gingen wir ans Klavier und probierten es aus. Oder der großartige Karel Krautgartner, der mich in die Rundfunkkapelle nahm, in welcher zur damaligen Zeit die besten Musiker spielten. Allerdings widmete er sich hauptsächlich dem Jazz, während es Josef Vobruba war, der mit uns die ganzen Pophits aufnahm. Er wird manchmal vergessen. Er hatte eine Nase dafür, womit die Leute aus seinem Stall, zu welchem Eva Pilarová, Waldemar Matu¹ka, Václav Neckáø, Helena Vondráèková und die ganze damalige Szene gehörte, erfolgreich sein können.

Wir waren damals nicht viele, die sich mit Pop beschäftigten, aber wir waren stolz darauf, daß wir die damalige populäre Musik, von der "Tanzmusik" weg, voranbrachten. Die vierzig Jahre Sozialismus werte ich nicht ausschließlich als eine Zeit der permanenten Dunkelheit. Ich erlaube mir zu behaupten, daß die sechziger Jahre, aufgrund der Lockerung der politischen Spannungen in der Welt, für die hiesige Kultur eine außergewöhnliche Zeit waren. So war zum Beispiel auf der von mir miterlebten EXPO in Montreal im Jahre 1967 der tschechoslowakische Pavillon ein Ereignis. Über das, was ich nicht selbst erlebt habe, rede ich da noch gar nicht, achtundfünfzig auf der EXPO in Brüssel - da hat man von uns gesprochen. Es gab dort Produkte, die beachtenswert waren. Das sagen alle, die diese EXPO besucht haben. Oder nehmen wir die Theater, den tschechoslowakischen Film, das waren Begriffe, die in der ganzen Welt bekannt waren.

Wesentlich war, daß sich die ganze Branche gegenseitig inspirierte. Wenn wir in unserem Theater fertig waren, gingen wir noch in ein anderes oder in den Jazzklub Reduta oder ins Viola. Man spielte bis in die Nacht, Gefühle der Feindschaft, der Konkurrenz oder der Ungehörigkeit haben wir nicht gekannt.

LN:Und heute ist das anders?

Interessant ist, daß wir Popmusiker von Zeit zu Zeit von Leuten aus der Rockszene angegriffen werden. Ich kenne aber keinen Popsänger, der Künstler eines anderen Genres auf irgendeine Art kritisiert hätte. Irgendwie ist das jetzt modern, oder es gehört zum rebellischen Charakter des Rocks, andere Stile zu verachten. Wir haben so etwas aber nicht gemacht. Wenn jemand zu seiner Auffassung von Musik steht, dann soll er das doch in die Tat umsetzen. Übrigens, mit den wirklich guten Rockern können wir nicht mithalten. Sie haben volle Stadien. Und nicht nur im Ausland. Wenn ich Aufzeichnungen vom Auftritt der Gruppe Kabát sehe, wird mir klar, daß ich davon nur träumen kann...

LN:Allerdings ging es damals, in ihrer Jugendzeit, in der Popmusik noch nicht um soviel Geld...

Die Wahrheit ist die, daß das Geld dem Künstler hilft. Es werden große Mittel ausgegeben, um Alben aufzunehmen, die Firmen kümmern sich um ihn, machen für ihn Werbung. Auf der anderen Seite wird ein neuer Superstar gesucht, obwohl der erste die Eierschalen noch nicht abgestreift hat. Aber ich bin auch das erste Mal bei einem Wettbewerb vor Publikum aufgetreten. Er hieß "Wir suchen neue Talente". Von der Jury wurde ich zwar abgelehnt - meine Art zu singen war gegenüber dem etablierten Baritongesang sehr ungewohnt, trotzdem habe ich Zugaben gegeben. Die Musiker, vor allem Karel Krautgartner, sagten: Komm mal vorbei, dem Publikum gefällst du.

LN:Hatten Sie nicht am Anfang klassischen Unterricht?

Ja, zum Glück hatte ich auf dem Konservatorium einen Lehrer, der mein Bemühen, entlang der Genregrenzen zu balancieren, verstanden und mir dabei geholfen hat. Konstantin Karenin hat mich zur richtigen Belcantotechnik geführt und trotzdem zugestimmt, daß ich nicht an die Oper gehen, sondern populäre Musik machen werde, für die mein Herz schlägt, und er hat mich nicht gleich im ersten Studienjahr hinausgeworfen, wie es andere Lehrer gemacht hätten. Er war ein hervorragender Tenor, ein russischer Adliger, locker, mit modernen Ansichten. Er hatte ein eiskaltes Bier auf dem Piano stehen, fing an zu rauchen, und wenn er einen tiefen Zug tat, so sang er darauf in einem Atem eine herrliche Belcantokadenz. Dann sagte er: "Siehst du, was du leisten kannst, wenn du eine gute Technik hast." Er verstand mein Bemühen, Grenzen zu überschreiten - mit der Klassik zu kokettieren und umgekehrt den Pop durch die Qualität der Stimme auf ein gewißes Niveau zu heben... In Deutschland haben sie mir dann gesagt, daß man hören kann, daß ich eine klassische Ausbildung habe, daß ich sie aber nur wie ein kostbares Gewürz verwende und daß ich mich dadurch von anderen unterscheide.

Aber mir haben auch Menschen geholfen, die mir anders nicht erreichbare ausländische Platten borgten. Die beste Schule ist es, in einer musikalischen Umgebung aufzuwachsen. Darum haben die amerikanischen Sänger diese traurige Bluesnote. So etwas kann man nicht in Ausbildungskonzepte hineinschreiben, darin liegt Emotion. Sie sind damit aufgewachsen, auf der Straße, in der Kirche haben sie Gospel gehört. Elvis hat es selbst zugegeben: 'Meinen Rock'n'Roll hätte es nicht gegeben, wenn ich nicht am Sonntag in die Kirche gegangen wäre, um Gospel zu hören, wenn ich nicht gehört hätte wie die Sänger frasieren.' Und die Beatles sagten, daß sie wohl gar nicht existiert hätten, sich nicht formiert hätten, wenn nicht Elvis gewesen wäre. Elton John wiederum hat eingeräumt, daß er wahrscheinlich nicht den Weg eines Popsängers eingeschlagen hätte, hätte es nicht Elvis und die Beatles gegeben - und so weiter und so weiter.

LN:Wissen Sie, daß Elvis Presley gerade siebzig Jahre alt geworden wäre? Bewunderten Sie ihn?

Seine Wirkung auf das weibliche Publikum war unglaublich - durch seinen männlichen Sexappeal und seine scheinbar unbewußten legeren Bewegungen. So als wäre er sich seiner Großartigkeit nicht bewußt -'Ich bin einer von Euch und sehe die Sachen, wie sie sind.' Ich denke das Wichtigste an ihm war das unausgesprochene Versprechen, die Aufforderung. Schade ,daß er jung gestorben ist. Er hätte noch viel erreichen können. Aber vielleicht wäre er heute wiederum nicht so berühmt, wenn wir mit ihm hätten alt werden können. Wenn wir jetzt auf seinem siebzigsten Geburtstag wären, wer weiß wie er aussehen würde. So ist er für die ganze Welt noch dieser junge, amerikanische, fesche Kerl, der Junge aus dem Volk.

LN:Der mit nichts anfing...

Der Manager von Elvis, Tom Parker, ist ein ideales Beispiel dafür, daß ein Manager nicht großartig gebildet oder superintelligent sein muß. Es reicht, wenn er ein gutes Urteilsvermögen hat. Er kann aus ganz normalen Verhältnissen kommen. Konkret war Parker, bevor er für Elvis arbeitete, auf amerikanischen Jahrmärkten unterwegs und unterhielt kleine Kinder dadurch, daß er ein Grammophon anstellte und eine starke Heizplatte einschaltete, auf die er Hühner stellte. Als diesen heiß wurde, fingen sie an zu tanzen und die Kinder klatschten. Und dann arbeitete er für Elvis. Er hatte gute Ideen, die aber im Prinzip völlig einfach waren.

LN:Haben Sie etwas ähnliches erlebt?

Auch wir mußten in der Lage sein, Partner zu finden, und mußten Urteilskraft haben. Ich habe mit den ©taidl Brüdern gearbeitet. Das war eine Zusammenarbeit von grundsätzlicher Bedeutung. Jaromír Klempíø hat für mich sehr schöne Lieder geschrieben - Po¹li to dál, C'est la vie, Proè ptáci zpívají... und ich kann sagen, daß die Hälfte der siebzig Lieder, die Karel Svoboda für mich geschrieben hat, Hits waren. Und Honza Svrèek, der mir mit dem Radio geholfen hat, hatte Einfälle, die mir zuerst nicht gefallen haben, und dann habe ich mich bei ihm entschuldigt und zugegeben, daß er recht hatte. Nehmen Sie das Lied Zvonky ¹tìstí. Die Kritik hat es geschmäht und Darinka bis heute nicht vergeben, obwohl aus ihr jetzt schon Dara geworden ist, aber es war sofort ein unglaublicher Erfolg, auch im Ausland. Hierzulande können sie es bis heute nicht verwinden, daß ein so einfaches Lied solch eine Wirkung hatte. Aber Ha¹ler zum Beispiel. Das waren auch sehr einfache Einfälle, die aber den richtigen Nerv trafen.

LN:Sie haben vor kurzem irgendwo gesagt, daß Sie - als Zuhörer lieber den späten Gott haben als den frühen. Warum?

Ich richte mich da nach der Stimmung. Früher, am Anfang meiner Karriere, war in meiner Arbeit viel Emotion und stimmlicher Exhibitionismus. Jetzt möchte ich glaubwürdig und angenehm wirken. Natürlich gibt es einen großen Unterschied zwischen einem Liveauftritt bei einem Konzert und einer Platte, die Sie sich zu Hause anhören. Zu Hause ist der Sänger mit Ihnen im Zimmer. Das ist eine sehr intime Begegnung. Wenn es sich verständlicherweise nicht gerade um einen Sänger von Protest- oder Kampfliedern handelt. Aber ich singe über Beziehungen. Es sind Bekenntnisse der Bewunderung von etwas Schönem. Es geht mir um das Gefühl und die Atmosphäre. Manchmal, wenn der Höhepunkt des Liedes es verlangt, singe ich die hohen Töne, weil das Publikum eines Tenors darauf wartet. Luciano Pavarotti schreibt in seinem Buch darüber, wie auf das hohe C gewartet wird, ob es springt oder ausläuft.

LN:Wie ist es mit Ihnen? Arbeiten Sie an ihrer Stimme?

Die ganze Zeit über habe ich einen Gesangslehrer. Er hat die Rolle des Pädagogen, des Psychologen und des Philosophen und vielleicht auch ein wenig die des Magiers. Er muß nicht so ein ausgezeichneter Sänger sein wie Karenin, aber er hilft mir, mich zu konzentrieren, zu entspannen, damit mein Gesang erholend wirkt, es angenehm ist ihm zuzuhören.

LN:Wie sieht so eine Unterweisung aus?

Die Basis ist die psychische Entspannung. Die hohen, vollen Töne kommen erst zum Ende der Seance. Es muß jemand um mich sein, der mich kontrolliert. Die Ermüdung der Stimme erwächst vor allem aus der Breite meines Spektrums: von der Romanze, dem Belcanto zur Arie, über Pop, Rock'n'Roll und international bekannten Liedern bis zu meinen eigenen, die eine andere Struktur haben, eine andere Farbe der Stimme erfordern. Das ist die beste Methode, sich die Stimme zu ruinieren. Zweieinhalb Stunden Gesang bei wechselnder Technik und wechselndem Stil ermüden mehr, als wenn man mit der gleichen Technik ein sehr schweres Stück von Wagner singt. Daher brauche ich jemanden, der kontrolliert, ob ich mir nicht meine Technik verdorben habe, damit ich nicht mitten in einem Konzert Überraschungen erlebe.

LN:Haben Sie fürs Einsingen irgendeinen Trick?

Vielleicht haben Sie davon gehört, daß man sich auch durch das Anhören eines guten Sängers einsingt. Mir reicht es, drei, vier Stücke anzuhören. Ich höre zum Beispiel Pavarotti, wie er den Ton bildet, einen gesunden, richtig gelenkten, angenehmen, heiteren Ton, und ich kann ins Studio gehen, ohne selber vorher einen Laut herausgebracht zu haben. Ich komme an und es ist in mir. Höre ich dagegen eine kranke Stimme, fühle ich den Zwang abzuhusten. Es kommt zum sogenannten Sicca-Syndrom, das bedeutet Syndrom der trockenen Schleimhaut. Das kann auch bei Lampenfieber passieren.

LN:Sie wurden jetzt, zumindest am Rande, von einem dramatischen Ereignis berührt. Hat Sie das nicht dazu veranlasst, ernsthafter über das Leben und die Karriere nachzudenken?

Fehlt da noch etwas, oder wäre weniger mehr? Das ist das ewige Dilemma. Soll ich heute abend nach der Vorstellung aufhören? Aber was, wenn es übermorgen noch besser wird? Wer möchte schon von der Bühne abtreten, wenn es so gut läuft? Aber wenn es dann nicht mehr geht, ist es zu spät. Ich muß mir nur langsam ein Repertoir zulegen, das meinem Alter und meinen Erfahrungen entspricht und daher glaubwürdig ist. Von tieferen Textinhalten, bis zur Selbstironie.

LN:Was also planen Sie?

Das Einzige was ich möchte ist die Bewahrung des Gleichgewichtes zwischen allem was ich mache. Ich habe keine Lust, die erreichte Position zu verlassen. Ich möchte aber auch meiner Verantwortung gegenüber dem Publikum gerecht werden. Nur mache ich halt zuviel. Ich kann nicht den Dingen entkommen, die mit meiner Arbeit verbunden sind: Termine, die Vorbereitung des Repertoires, welches mein Kapital ist, die Aufnahme von Platten, die damit verbundene Promotion, die Teilnahme an Fernsehshows, Konzerten, Tourneen, Galas. Und das alles zweigleisig, zu Hause und das gleiche in Deutschland.

LN:Was fehlt Ihnen also? Arbeit nicht, Geld auch nicht, nimmt die Kraft ab?

Kraft habe ich bis jetzt genug. Den Reichtum messe ich nicht an meinem Kontostand oder gar an den materiellen Dingen, die mich umgeben. Der Maßstab ist, wie ich in den freien Stunden das Leben ausnutze und auskoste. Und das fehlt mir.

 

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