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Quelle: www.karelgott.com

Gerade heute erschien in der Wochenendbeilage „MF“ ein umfangreiches Interview des Journalisten Jan Malinda mit Karel Gott, welches den Titel NUN, DA BIN ICH REINGEFALLEN trägt.

 

Karel Gott soll sich angeblich mit der Mafia eingelassen haben. Er selber sagt dazu: „Mein ganzes Leben lang war ich ein Fan von Frank Sinatra. Ich bewunderte ihn, weil er ein großartiger Musiker war und wegen Art wie er frasierte. In einem war ich aber sicher, es ihm niemals gleich zu tun. Ich meine seine viel diskutierte Beziehung zur Mafia und ihren verwickelten, undurchsichtigen Netzen. Und sehen Sie...!“
 

Wie oft in der Woche wendet sich jemand in einer Notsituation an Sie und bittet Sie um eine finanzielle Hilfe?
 

Die Leute wenden sich nicht nur an mich. Ich kenne das auch von anderen Kollegen. Manchmal handelt es sich um Tragödien, verrückte Geschichten. Krankheit, Schulden, Entlassung, Exekution, Verlust der Wohnung. Die Frage ist dann - wem soll man glauben?
 

Das würde mich ja gerade interessieren? Wie lösen Sie denn dieses Problem?
 

Einmal habe ich mit Dagmar Havlová gesprochen, welche einen eigenen Hilfsfond leitet. Ich fragte sie, wie sie denn erkennt, dass die Menschen wirklich in Not sind. Sie antwortete, dass sie für die Überprüfung ein spezielles Team haben, und fügte hinzu, dass sie mir dabei gerne helfen würden.
 

Ich frage, weil sich ihre Hilfe in der Vergangenheit nicht immer ausgezahlt hat. In den achtziger Jahren verkauften Sie ungeschickterweise ihre Villa dem kriminellen Geldwechsler Miroslav Provod, welcher sie dann als Lager für Schmuggelware nutzte, so dass Sie Probleme mit der Polizei bekamen.
 

Ich gebe zu, dass das nicht sehr weise war. Aber das Haus war bereits verkauft. Es gehörte mir nicht mehr. Der Handel war abgeschlossen. Hätte ich ihn beim Verkauf vielleicht fragen sollen: „Und werden Sie dort geschmuggelte Waren umladen?“
 

Außerdem ist bekannt geworden, dass Sie in den neunziger Jahren Kontakt zu dem Mafioso František Mrázek hatten.
 

Ist es Ihnen schon einmal passiert, dass irgend jemand Sie absichtlich in eine Situation brachte, in der Sie ihm auf den Leim gingen? Sie sagen sich, was bin ich bloß für ein vertrauensseliger Trottel! Solche Lektionen lernt der Mensch sein ganzes Leben lang...

 

Plötzlich wendet Karel Gott seinen Kopf vom Kaffee weg, fängt an zu strahlen und winkt in die Richtung hinter mir. „Hallo“, ruft er. Ich drehe mich um und verstehe - ins Zimmer trippelt die zweijährige Charlotte. Karel Gott streckt die Hände zu ihr aus: „Komm zu uns! Gibst du Vati einen Kuss?“ Charlotte kommt angeschaukelt und reicht ihm auf ihrer kleinen Handfläche ein Stück Apfel. „Du bringst mir was zum abbeißen? Oh, du bist aber lieb!“ Er strahlt vor Begeisterung. Doch die Kleine fängt an zu weinen. „Karel, du hast ihr in den Finger gebissen“, erklärt Ivana unglücklich. „Aber ich hab doch nicht gebissen, nur ungewollt leicht gedrückt“, verteidigt sich der offensichtlich verlegene Sänger und entschuldigt sich ausführlich.

 

„Eine Erfahrung für dein zukünftiges Leben, damit du nicht zu vertrauensvoll zu Leuten wie mir bist“, fügt er lächelnd hinzu, um der Situation ihren Ernst zu nehmen.


Reden wir noch eine Weile über das Jahr 1986, als Sie wegen Miroslav Provods kriminellen Geschäften von der Polizei verhört wurden.
 

Damals sah es aus, als hätte ich große Probleme. Ich erklärte den Ermittlungsbeamten, dass ich davon nichts weiß und dass das Haus ihm gehört, dass ich mich dort nicht aufhalte. Der Ermittlungsbeamte aber wandte ein: „Na ja, Herr Gott, aber das Haus ist auf ihren Namen eingetragen!“
 

Wie war Ihnen bei diesen Ermittlungen zumute?
 

Es war so ein Schock, dass ich nicht schlafen konnte. Aufgrund meiner Naivität kam ich ungewollt in die Rolle des Mittäters!
 

Hatten Sie in diesem Moment nicht Angst um ihre Karriere?
 

Die ganze Normalisierung über hatte ich Angst um meine Karriere. Ich war so weit nach oben gelangt, dass ich unbequem geworden war. Manchmal habe ich überlegt, wie sie mich wohl absägen können. Mich einfach so zu verbieten wäre schwerlich möglich gewesen. Sie hätten etwas machen müssen, um mich zu diskreditieren, damit sich die Menschen der verschiedensten Berufe sagen: Er singt zwar schön, aber er ist ein Gauner! Es hätte zum Beispiel ausgereicht, wenn sie in meinem Auto Drogen versteckt hätten. Vor Auslandreisen habe ich darum mit meinem Vater zusammen das Auto so genau untersucht, dass wir es fast auseinandernahmen. Dann wurde die Garage geöffnet und ich fuhr mit vollem Tank ohne anzuhalten direkt zum Grenzübergang.
 

Wie oft im Monat kontrollierten Sie denn das Auto?
 

In den siebziger Jahren vor jeder Reise ins Ausland. Und das waren nicht wenige! Andererseits wussten die da oben, wenn sie anfangen, mich zu ärgern, habe ich bei jeder der Hunderten von Ausreisen die Möglichkeit im Westen zu bleiben.
 

Mussten Sie vor den Reisen in den Westen ein Gespräch absolvieren, zum Beispiel darüber, was Sie dort sagen dürfen und was nicht?
 

Nie. Das haben sie von mir nicht gewollt.
 

Auch nicht nach der Rückkehr?
 

Niemals.
 

Das überrascht mich.
 

Warum? Weil ich keinen Bericht über die Reise schreiben musste? Ich denke, dass wird ein Anderer für mich gemacht haben.
 

Wurden Sie von den westlichen Journalisten nicht manchmal gefragt, was Sie über die politische Situation in der Tschechoslowakei denken? Bezüglich der Menschenrechte zum Beispiel?
 

Nach den Menschenrechten haben sie kaum gefragt. Öfter gab es bissige Bemerkungen, dass ich sicherlich politisch Gleichschritt halten muss, damit sie mir die Ausreise gestatten. Ich habe gesagt, dass ich zwar nicht den Gleichschritt halten muss, dafür aber den Mund. Damals gab es den Spruch: Eine freche Zunge kommt schnell nach Ruzyně (Gefängnis in Prag, Anm.d.Ü.).
 

Was glauben Sie ist der Grund für ihre privilegierte Stellung, welche es Ihnen ermöglichte ohne Probleme auf Konzertreisen in den Westen zu fahren? Dass Sie hin und wieder auf dem Festival des politischen Liedes gesungen haben?
 

Zur Teilnahme am Festival des politischen Liedes hat mich niemand bewegen können! Mein vierzig Jahre alter Langzeitvertrag mit der westdeutschen Musikfirma Polydor, der jetzt in einen Vertrag auf Lebenszeit umgewandelt wurde, hat mich davon befreit. Mein Erfolg in Deutschland war so gewaltig, dass sie es sich nicht erlauben konnten, mich zu behindern. Sie hätten sonst gezeigt, dass sie ihren Künstlern die Ausreise verbieten.
 

Da hatten Sie Glück, dass der Vertragsabschluss schon 1967 erfolgte, also kurz vor der Okkupation. Danach hätten Sie ihn wohl nur schwer unterschreiben können.
 

Im Vertrag stand und steht, dass der Sänger Karel Gott jederzeit für die Promotion seiner Platten zur Verfügung steht. Warum sollten sie einem Sänger, in den nicht investiert werden muss und der für seine Arbeit nur seine Stimmbänder braucht, der noch dazu wertvolle Devisen für die Staatskasse erwirtschaftet, Schwierigkeiten machen? Das war der Grund, warum sie mich in Ruhe ließen. Ich glaube es war Lubomír Štrougal, der mir einmal sagte: „Singen Sie so, wie Sie singen. Es reicht, dass Sie gut repräsentieren.“
 

Im Westen verkauften Sie Millionen Platten. Welche Einkünfte blieben Ihnen davon nach der Versteuerung?
 

Extrem hohe ganz sicher nicht. Selbstverständlich ließen sie uns etwas zur Repräsentation, so dass wir uns einen Smoking kaufen konnten und nicht Konserven mitschleppen mussten, um uns im Hotel eine Suppe aufwärmen zu können.
 

Im Scherz wird manchmal gesagt, dass das Regime mit ihrer Stimme mehr Devisen erwirtschaftete als die Škoda-Werke in Mlada Boleslav. Haben Sie eine Ahnung, wieviel Geld sie der Staatskasse zuführten?
 

Viel. Die Millionen verkaufter Platten brachten dem Staat zig Millionen Mark ein. Um ein Beispiel zu nennen, wenn ich ein Konzert in einer vollen Sporthalle gab, entsprach das einem Reingewinn von einer Million bis einer Million und vierhunderttausend Kronen. Mein Honorar betrug 600 Kronen.
So wenig?
 

Nach der Verleihung des Titels „Verdienter Künstler“ zahlte man mir eintausendzweihundert. Den gesamten Gewinn teilten sich der Veranstalter, Pragokoncert und andere. Wenn wir aber auf Konzerttournee ins Ausland fuhren, musste unsere Tonqualität genau so gut sein, wie die der westlichen Kapellen, welche über eine phantastische technische Ausrüstung verfügten. In Hamburg und Berlin, hatten die Interpreten, die einen Tag vorher auftraten, eine Anlage, welche die Zuhörer buchstäblich von hinten frisierte. So eine Technik konnte man nur mit Devisen kaufen, welche ich nicht bekam.
 

Wie haben Sie das Problem gelöst?
 

Die deutsche Firma Dynacord stellte uns die Technik zur Verfügung. Aber das funktionierte nicht immer. Zum Beispiel benötigten wir ein Melotron, eine riesige Anlage mit den verschiedensten akustischen Effekten. Nur kostete die über dreißigtausend Mark! Wir hatten zu begründen, warum wir das brauchen, und benötigten eine Reihe von Genehmigungen. Welch ein Paradox! Obwohl wir Devisen erwirtschafteten, brauchten wir eine Genehmigung, um einen Teil davon ausgeben zu dürfen, für etwas, dass ihnen weiterhin Geld einbringen sollte!
Eine Botschaft von Husák
 

 

 

 

 

Wie oft dachten Sie an die Emigration?
 

Sehr oft. Immer wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte. Obwohl daraus ein sehr dickes Buch werden könnte, habe ich mich nie über die Vergangenheit beschwert. Aber ich bin nicht Jaroslav Kmenta und könnte für so etwas keine Reklame machen...

 

Und da haben wir es wieder. Während der drei Wochen, in denen unser Interview entstand, spricht Karel Gott diesen Namen vielleicht fünzigmal aus: Jaroslav Kmenta! Er ist ziemlich wütend. Gleich mehrere Male gibt er mir kompromisslos bekannt: „Aus diesem Interview wird nichts!“ So schwer liegt ihm mein Kollege von der „MF DNES“ im Magen. Der Grund für diesen Zorn sind Kmentas Artikel und vor allem sein aktuelles Buch „Kmotr Mrázek“, in welchem Gotts Name mit der Mafia in Verbindung gebracht wird.

 

„Mein Name ist eine Institution. Er garantiert Aufmerksamkeit und Herr Kmenta ist wieder mal jemand, der daraus Kapital schlagen will. Mein Name wird wieder missbraucht!“, beharrt Gott auf seiner Meinung, „warum werde ich mit dem Mafioso Mrázek in Verbindung gebracht? Schließlich habe ich in meinem Leben so viele Leute getroffen! Warum wird da also ausgerechnet mein Name herausgeklaubt? Weil es ihm hilft, das Buch zu verkaufen! Eine bessere Promotion konnte er gar nicht machen. Und in den Zeitungen erscheinen Artikel mit der sensationellen Enthüllung: Das geheimnisvolle Leben des Karel Gott - Mafia und Dissidenten! Da bin ich aber froh, dass wenigstens noch Dissidenten dabei sind...“
 

Kehren wir zum Thema Emigration zurück. Sie haben das ja zweimal ausprobiert.
 

Vorsicht, dreimal! Das erste Mal, als ich dreizehn Jahre alt war.
Diese Geschichte ist mir unbekannt.
 

Es war mehr so ein Dummerjungenstreich. Zusammen mit zwei Mitschülern marschierte ich über Teplice nach Cínovec, einem Ort an der Grenze zur damaligen DDR. Natürlich haben sie uns geschnappt, unsere Identität festgestellt und uns den zweiten Tag nach Hause geschickt.
 

Das zweite Mal blieben Sie 1968 im Ausland. Am ernsthaftesten aber war die Emigration im Jahre 1971. Warum damals diese Entscheidung?
 

Wir erhielten Hinweise, dass sich über uns dunkle Wolken zusammenziehen. Durch die gute Behandlung in Deutschland und Österreich, wo uns buchstäblich rote Teppiche ausgerollt wurden und wo wir volle Sporthallen hatten, waren wir auf den Geschmack gekommen. Aus heutiger Sicht war das ein Traum! Die Gruga-Halle in Essen - zwölftausend Menschen, die Westfalenhalle in Dortmund - vierzehntausend Menschen. Die Leute kauften die Karten, damit sie uns sehen konnten! Was hätte ich davon gehabt, in der Tschechoslowakei zu sein und mit Ideologen zusammenzuarbeiten, wenn niemand hier in meine Konzerte gegangen wäre?
 

Von wem stammte denn die Idee, im Ausland zu bleiben?
 

Ein wenig war es meine, die Štaidl-Brüder stimmten zu. Wir wollten aber keine Emigranten sein. Gleich zu Anfang übergaben wir den westlichen Zeitungen die Kopie unseres Briefes an den Kulturminister, in welchem stand, dass wir nicht vorhaben zu emigrieren, dass wir aber fürs erste im Ausland bleiben wollen, wo man uns gut behandelt.
 

Gustáv Husák soll Ihnen ja damals persönlich geschrieben haben, dass Sie zurückkehren sollen.
 

Geschrieben hat er nicht. Aber er ließ uns über einen Frankfurter Diplomaten eine Botschaft zukommen. Sie luden uns dorthin ein und sagten: „Ihr habt eine Botschaft von Gustáv Husák, ob ihr darauf reagiert, liegt ganz bei euch.“
 

Was genau stand in dem Brief drin?
 

Ein Brief wurde uns nicht gezeigt, der Diplomat sagte nur: „Gustáv Husák teilt euch mit, dass euch nichts passieren wird und dass er mit euch verhandeln will. Wenn ihr möchtet, können wir über eure Probleme offen sprechen, aber nicht solange ihr im Ausland seid.“
 

Haben Sie geglaubt, dass Ihnen nichts passieren wird?
 

Ja und nein. Das waren nicht mehr die fünfziger Jahre, Husák schien anders zu reden. Seine Reden kamen mir anfangs lustig vor. Eine seiner ersten Reden begann er zum Beispiel auf Tschechisch, aber dann entschuldigte er sich mit den Worten: „Entschuldigt mein Tschechisch, mein Wärter in Pankrác sprach so schlecht.“ Das erweckte in mir Sympathie. Schließlich wussten wir, dass er in den fünfziger Jahren acht Jahre lang im Gefängnis gesessen hatte!
 

Warum haben Sie sich letztendlich entschlossen zurückzukehren?
 

Nach jedem Auftritt saßen wir nächtelang zusammen und diskutierten, ob wir das Angebot annehmen sollen oder nicht. Wir wollten zu Hause singen, zurückkehren zum Publikum in der Heimat. Wir sagten uns, was ist, wenn man darüber mit ihnen tatsächlich sprechen kann? Aber gleichzeitig bestand die Gefahr, dass das Wort nicht eingehalten wird, dass die Leute denken werden, dass alles ein politisches Geschäft im Sinne von „Eine-Hand-wäscht-die-andere“ ist.
 

Erinnern Sie sich noch an die nächtliche Rückfahrt zur Grenze?
 

Wir fuhren zu viert im Auto, es war still, wir näherten uns der Grenzübergangsstelle Rozvadov. Bei Waidhaus sahen wir uns um. Vielleicht werden wir nie mehr hierher zurückkommen! Es war ein Dilemma: Ja, oder doch nicht? Also ja! Gib Gas! An der Grenze war es so wie immer, niemand der auf uns gewartet hätte. Das einzige, was uns erwartete, war ein Gespräch mit der Staatssicherheit. Worin unser Motiv bestanden hatte, wollten sie wissen.
 

Was haben Sie gesagt?
 

Das Selbe, was ich Ihnen jetzt sage. Da gab es nämlich noch einen anderen Grund. In der Zeit unserer Emigration wurden meine Eltern von der Staatssicherheit psychisch gequält. In unserem Haus in Jevany zum Beispiel beschlagnahmten sie alle Bücher und Schallplatten. Das Haus haben sie regelrecht verwohnt. Nach meiner Rückkehr wurde uns alles wieder zurückgegeben.
 

Und Sie schwören wirklich, dass das Regime von Ihnen nach der Rückkehr nichts wollte?
 

Als Ende der sechziger Jahre alles vorbei war, war ich ihnen so zu sagen aus den Händen geglitten. Ich war in Westeuropa schon bekannt. Ich erinnere mich an einen Vorfall, der Mitte der Siebziger passierte, als ich Jan Werich traf. Er war damals in einem Alter, in welchem man auf falsche Rücksichtnahmen verzichten kann, daher war sein Humor manchmal provozierend. Wir trafen uns in der Štěpánská und damit es alle hören konnten, rief er mir vom gegenüberliegenden Bürgersteig aus zu: „Herr Gott, irgendwie sind Sie außer Kontrolle geraten! Entweder werden Sie eingesperrt, oder ausgezeichnet!“ Und siehe da, ein Jahr später haben sie mich ausgezeichnet.
 

Das war 1977, als Ihnen der Titel „Verdienter Künstler“ verliehen wurde. Wie ist das, wenn man so etwas aus Gustav Husáks Händen überreicht bekommt? An was haben Sie in diesem Moment gedacht, als Sie seiner joghurtfarbenen Brille gegenüberstanden?
 

Sie meinen, als ich dieses Rohr entgegennahm? (Er denkt nach) Das waren gemischte Gefühle. Eine Sache muss ich betonen. Husák erklärte, dass es keine Auszeichnung von der Regierung sei. Er sagte: Das überreicht ihnen die Regierung im Namen unseres Publikums und für ihre Repräsentation im Ausland. Können Sie da sagen: „Das nehme ich nicht!“? Die Auszeichnung habe ich gerne entgegengenommen.
Andererseits wurde vor kurzem ihre Hilf
e für Jiří Suchý bekannt. Ende der siebziger Jahre setzten Sie auf ihrer Platte seine Texte durch und luden ihn zur Taufe ein. Wie riskant war das damals für Sie?
 

Das war eine Zeit, in der mir gesagt wurde: Suchýs Texte kommen nicht in Frage - frage nicht wieso. So habe ich das also durchgesetzt. Aber riskant war das meiner Meinung nach nicht. Ein echtes Risiko war das Lied von Zdeněk Borovec „Můj bratr Jan“. Das Lied war Jan Palach gewidmet und erschien genau zehn Jahre nach seinem Tod.
 

Wie kam es eigentlich dazu? Immerhin war das zwei Jahre nach der Charta 77.
 

Der Textautor Zdeněk Borovec kam zu mir und fragte mich, was ich wohl sagen würde, wenn in dem Lied folgender Satz erklingen würde: „Wohin ging damals mein Bruder Jan, vielleicht stieg er nur auf, um von oben zu sehen, was wir früher sein wollten und was wir heute sind...“ Ich sagte ihm: „Zdeněk, ihr dichterischer Ausdruck ist anspruchsvoll und wasserdicht. Vielleicht bemerken die da oben das gar nicht.“
 

Aber sie haben es bemerkt.
 

Bemerkt haben es die mittleren Kader. Bei denen gilt die Regel: Keine Freundschaften schließen! Diese Menschen können einen vernichten mit ihrem Hass und ihrem Klatsch.
 

Haben sich die Fans nicht bei Ihnen gemeldet?
 

Eben nicht. Niemand kam, um zu sagen: „Das haben Sie gut gemacht!“ Nein, es war ruhig. Aber die verschiedenen Bezirkssekretäre waren zu hören.
 

Sollen sie doch das Rohr behalten!
 

Nach der Wende gab es keine staatlichen Auszeichnungen mehr für Sie. Ich denke da zum Beispiel an die alljährliche Auszeichnung durch den Präsidenten der Republik.
 

Ich bin froh, dass sie mir keine geben. Wenigsten habe ich Ruhe.
 

Ist das ihr Ernst?
 

Das würde eine riesige Kanonade geben. Vor ungefähr drei Jahren gab es einen Aufruhr, nur weil jemand im Parlament eine Andeutung gemacht hatte. Wissen Sie was? Sollen sie doch ihr Rohr behalten! Wichtig für mich sind eine volle Sazka-Arena, ein volles Rondo in Brünn, eine volle Arena in Vítkovice.
 

Im November des Jahres 1989 konnte man Sie auf dem Balkon des Melantrich-Hauses sehen. Wie kam es dazu?
 

Gute Bekannte, die gleichzeitig im Bürgerforum waren, hatten mich eingeladen.
 

Man hat gesagt, Sie seien im Melantrich-Haus erschienen, weil Sie ahnten, dass das Regime am Ende war.
Ich war einer der Leute, die nicht ahnten, sondern wussten, dass es keinen anderen Weg gibt. Und zwar schon zwei Jahre vorher. Damals wurde ich nach Moskau auf eine internationale Konferenz eingeladen, an der bedeutende Persönlichkeiten - kirchliche Würdenträger, Vertreter internationaler Banken und auch Künstler - teilnahmen. Damals saß ich neben Miloš Forman, wir unterhielten uns mit dem Dichter Okudschawa...
 

Und was haben Sie damals in Moskau erfahren?
 

Es wurde nicht nur offiziell geredet, sondern auch während der Pausen. Beim Kaffee begegneten mir sowjetische Diplomaten aus Prag. Die sagten: „Warum glauben Sie, sind Sie hier? Die sowjetische Seite möchte, dass alle verstehen, dass die bipolare Politik des Streites zu Ende geht.“ Ich erinnere mich an ihren Schlusssatz: „Einen anderen Weg gibt es nicht!“
 

Wenn Sie also wussten, dass das Regime zusammenbrechen wird, warum haben Sie es dann im Sommer 1989 abgelehnt, die Erklärung „Několik vět“ zu unterschreiben?
 

Hätte ich die Nerven dazu gehabt, hätte ich das ausgenutzt. Ja, davon hätte ich nach der Wende großartig leben können. Aber wieder war ich dumm und naiv! Andererseits hätte sich damals alles noch ändern können. Gorbatschow hätte von jemandem abgelöst werden können, der alles für ungültig erklärt, und das Regime wäre wieder erstarrt.
Jetzt würde ich nicht anfangen wollen
 

Haben Sie schon eine Ahnung, welcher tschechische Sänger ihr Nachfolger werden könnte?
 

Ich denke, dass die Nachfolger schon da sind. Jetzt hängt es nur davon ab, wie sie damit klar kommen. Es ist kein Geheimnis, dass mein Favorit Petr Kolář ist. Aber es gibt noch andere Namen: Spilka, Horváth...
 

Welchen Rat würden Sie diesen Sängern für den Weg nach oben mitgeben?
 

Wir befinden uns in einer Zeit, in der die großen Musikfirmen riesige Verluste machen und jeder versucht, das Problem mit der Piraterie, also mit dem Downloaden aus dem Internet zu lösen. Hätte mich jemand im Jahre 1963 um Rat gebeten, hätte ich eine Antwort gewusst. Heute weiß ich selber nicht, was ich machen werde. In der heutigen Zeit würde ich nicht beginnen wollen.
 

Was sind die größten Unterschiede zwischen heute und der Zeit, in der Sie ihre Karriere begannen?
 

Damals wurden keine ausländischen Sachen gespielt, und es gab nur ein einziges Staatsfernsehen. Wenn uns ein ausländisches Lied gefiel, einigte ich mich mit Jirka Štaidl oder Zdeněk Borovec auf einen tschechischen Text. Der Chef des Tanzorchesters des Tschechoslowakischen Rundfunks, Josef Vobruba, stimmte zu, wir korrepetierten ein wenig, und am Vormittag schuf die Kappelle mit ihrer Aufnahme die Basis. Ich kam nach dem Mittagessen in ruhiger Stimmung, war in zwei Stunden mit meinen Aufnahmen fertig, am gleichen Nachmittag wurde das noch zusammengemixt und am Abend erklang es im Radio. Nun sagen Sie selber - würden Sie sich beschwerden?
 

Würde ich nicht. Zudem war das eine Zeit, in der Karel Svoboda Ihnen einen Hit nach dem anderen komponierte. Es ist jetzt fast ein Jahr her, seit er starb. Was glauben Sie, würden Sie jetzt machen, wenn er noch am Leben wäre?
 

Wir könnten uns eine Zigarre anzünden und uns sagen: Wir haben es geschafft. Aber wir haben beide ständig in die Zukunft geschaut. Es ging immer weiter! Auch ich könnte mir heute ein kleine Wohnung auf Mallorca besorgen und auf das Meer schauen, auf die Fischer und dabei einen guten spanischen Wein trinken. Aber das liegt nicht in meiner Natur. *
 

Karel Gott in fünf Stichpunkten:

*Geboren am 14. Juli 1939 in Pilsen, nach der Ablehnung an der UMPRUM fängt er im ČKD-Werk eine Lehre als Elektromonteur an.

* Seine Karriere beginnt 1962 im Theater Semafor, nach seinem Abschied im Jahr 1965 gründet er zusammen mit den Štaidl-Brüdern das eigene Apollo-Theater.

* 1967 unternimmt er eine Konzertreise in die USA - auch in anderen Ländern, vor allem in Deutschland, ist er erfolgreich. In den siebziger Jahren wird er auch in Russland populär.

* Im Verlauf seiner mehr als vierzigjährigen Gesangskarriere gewinnt 33-mal die Umfrage „Die Goldene Nachtigall“. In Tschechien hat er bis zum heutigen Tag über 27 Millionen Alben verkauft.

* Er war nie verheiratet, aus den vorhergehenden Beziehungen stammen die Töchter Dominika und Lucie. Zusammen mit seiner gegenwärtigen Lebensgefährtin hat er eine anderthalb Jahre alte Tochter, welche den Namen Charlotte Ella trägt.
 

Mafiosi, Geldwechsler und Karel Gott - Zum Singen hat die Goldene Nachtigall Talent, aber nicht für das Geschäft.
 

Das erste Mal ließ sich Karel Gott ernsthafter mit der Unterwelt ein, als er Anfang der Achtziger seinem Bekannten Miroslav Provod die Villa in Jevany verkaufte. Damals bat ihn Provod darum, dass die Villa weiterhin unter dem Namen des Sängers eingetragen bleibt. Provod war nämlich nicht in der Lage, seine Einkünfte zu belegen, da er überwiegend vom illegalen Geldwechsel lebte. Als Provod 1986 verhaftet wurde, kam heraus, dass er in der Villa Schmuggelware aufbewahrt hatte, was zur Folge hatte, dass auch Gott verhört wurde. In den neunziger Jahren gab der Sänger Provod erneut seine Zustimmung, als er als Schirmherr eines Hilfsfonds zur Unterstützung der Familien erschossener Polizisten fungierte. Der Hilfsfond diente Provod und dem Mafiosi František Mrázek dazu, die Aufmerksamkeit von ihren Geschäften abzulenken. Heute gibt Gott zu, dass er den beiden Männern auf den Leim gegangen ist.

 

 

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